28/08/2025
Wir konnten Schüler vom Heinrich. Schliemann-Gymnasium in Fürth für ein Selbsterfahrungsprojekt mit Leihrollstühlen unterstützen. Offensichtlich wurde es ein Tag, der viele neue Eindrücke und Erkenntnisse gebracht hat.
Der Bericht ist sehr aussagefähig, deshalb hängen wir ihn an, obwohl er für Facebook sehr ausführlich ist. Lohnt sich aber!
Noch einmal unseren herzlichen Dank für das Leihen der Rollstühle! Sie haben damit meinen Schüler*innen und mir zu einer ungewöhnlichen Erfahrung verholfen und ich gehe davon aus, dass ausnahmslos alle eine Horizonterweiterung erfahren haben.
Im Anhang übersende ich Ihnen den Bericht der Schülerin und AK-Leiterin Kalea Brunner.
Herzliche Grüße!
Johanna Klose
(Lehrerin am Heinrich-Schliemann-Gymnasium Fürth)
Eine besondere Erfahrung
Im Schuljahr 2024/25 durfte der Arbeitskreis „Schule mit Courage“ des Heinrichs-
Schliemann-Gymnasiums, passend zum diesjährigen Schwerpunkt „Ableismus“, erfahren, wie barrierefrei die Fürther Innenstadt ist. Dank Reha und Care konnten wir mit fünf Rollstühlen die Gegend aus der Sicht eines*r Rollstuhlfahrer*in erkunden. Am frühen Nachmittag starteten wir an unserer Schule und versuchten uns anfangs mit der Handhabung eines Rollstuhls bekannt zu machen. An das Lenken mussten wir uns erst noch gewöhnen und auf Dauer wurde es auch ziemlich anstrengend selbst zu fahren. In Kleingruppen mit ein bis zwei Rollstühlen haben wir uns dann von der Schule aus auf den Weg in die Innenstadt gemacht, um verschiedene „Aufgaben“ mit dem Rollstuhl zu bewältigen. Unter anderem waren wir in der Bibliothek, im Buchladen und in einem Laden, sind U-Bahn gefahren, haben ein Eis gekauft, sowie Klamotten und Schuhe anprobiert. Während eine Person im Rollstuhl war, um die Aufgabe zu „lösen“, haben die anderen sich meist unauffällig in der Nähe aufgehalten, um unauffällig das Verhalten der anderen Passant*innen zu beobachten.
Schon bald nach dem Verlassen der Schule wurden uns immer wieder lange, seltsame Blicke zugeworfen. Sogar die Polizei hat uns genau gemustert. Um die Person im Rollstuhl wurde oft ein großer Bogen gemacht und tatsächlich wurden wir einmal angemotzt, dass der Rollstuhl zu groß sei und zu viel Platz verbrauche. Als ein kleines Kind mit dem Finger auf unseren Rollstuhl gezeigt und seine Mutter gefragt hatte, wer wir seien, hat diese, anstatt zu antworten und dem Jungen seine Frage zu erklären, auf ihr Handy geschaut. Als eine Person im Rollstuhl in der Bibliothek versuchte, ein Buch von einem hohen Regal zu holen, hat eine Frau sie beobachtet, ohne ihr zu helfen und zwei kleine Mädchen haben etwas unbeholfen zugeschaut. Wenn wir andere Personen allerdings baten, uns etwas zu reichen, wurde uns immer geholfen. Kassierer*innen haben uns unsere Produkte nach unten gereicht und auch in der Eisdiele wurde uns das Eis extra nah an die Kante geschoben. Ein Mann hat sein Fahrrad zur Seite geschoben, damit der Rollstuhl Platz hatte und ein anderer hat sich in der Bibliothek zur Seite gestellt, damit Platz für den/die Rollstuhlfahrer*in war.
Oft haben wir auch „positive Diskriminierung“ erlebt, Leute haben uns also extra nett behandelt. Wir wurden an Kassen vorgelassen und von Mitarbeiter*innen in diversen Läden extra freundlich begrüßt. Auffällig war, dass manchmal in einer höheren Tonlage mit uns gesprochen wurde, als mit anderen Leuten. Eine Person im Rollstuhl wurde von einem Mann als „gutes Mädchen“ bezeichnet und dass „die anderen gut auf sie aufpassen sollen“.
Wir haben auch gemerkt, dass andere Leute meist mit der Person, die den Rollstuhl schiebt, sprechen.
Als wir am Ende als große Gruppe unsere Erfahrungen ausgetauscht haben, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Fürth nicht barrierefrei genug ist. In vielen Läden sind die Gänge zu eng und die Regale zu hoch, die Rampe zur U-Bahn Haltestelle Fürth Hauptbahnhof ist, vor allem für unerfahrene Rollstuhlfahrer*innen, viel zu steil und so fast unmöglich zu benutzen.
Also mussten wir den Aufzug nach unten nehmen. Dieser war sehr klein und neben dem Rollstuhl passte nur mit Mühe eine zweite Person hinein. Außerdem fuhr er so langsam, dass man, wenn man schnell die zur U-Bahn erreichen müsste, ein Problem hätte. Auch in die U-Bahn selbst hineinzukommen, hatte sich als Problem herausgestellt. Freundlicherweise hatte uns hier eine nette Dame geholfen und den Rollstuhl etwas angehoben, sodass wir über die Schwelle gekommen sind. Oft mussten wir auch mit dem/der Rollstuhlfahrer*in auch längere Wege nehmen, da uns Abkürzungen wegen fehlenden Schieberampen oder unebenem Boden nicht möglich waren. Glücklicherweise gab es an einigen Läden wie beispielsweise dem Tegut eine Rampe, die zum Eingang führte. Im Deichmann sind die Gänge angenehm groß
und im New Yorker gibt es eine etwas größere Umkleidekabine, in der die Haken zum
Aufhängen der Klamotten so weit unten befestigt sind, dass man auch als Rollstuhlfahrer*in keine Probleme hatte hinzukommen.
Wir danken Reha und Care, dass wir dank ihrer großzügigen Leihgabe diese Erfahrungen
sammeln konnten. In Zukunft werden wir mit einem anderen Blick durch die Innenstadt
gehen.
Kalea Brunner