08/07/2025
Warum bitter auch positiv sein kann
DER BITTERE GESCHMACK
Ausgerechnet der Jahreszeit, die durch Freude, Frohmut und Leichtigkeit gekennzeichnet ist, wird der bittere Geschmack zugeordnet. Das ist interessant, denn auf der Sympathieskala rangiert der bittere Geschmack auf den unteren Rängen. Besser: Er rangiert am letzten Rang. Süß, salzig, sauer, da sind wir alle mit Freude und Genuss dabei, ob jung oder alt, davon können wir nicht genug bekommen. Beim Scharfen trennt sich schon der Weizen von der Spreu, aber Bitteres am Teller, das ist nur für den harten Kern. Was damit zu tun hat, dass wir Bitteres evolutionär eher als gefährlich einstufen. In der Natur ist vieles ungenießbar bis giftig, was bitter schmeckt. Nicht ohne Grund erkennen wir im Mund Bitterstoffe am schnellsten. Man spricht von der geringsten Entdeckungsschwelle. Ein Gruß aus der Zeit, in der man noch auf Jagen und Sammeln angewiesen war, um zu überleben. Auf das, was die Hand dem Mund zuführte und nicht auf den nächsten, das Risikomanagement übernehmenden Supermarkt. Bitter ist ein Alarmgeschmack und was Alarm auszulösen vermag, das lassen wir nicht gerne in uns hinein.
Die Folge davon: Die Entbitterung des modernen Nahrungsangebotes. Früher gab es mehr Bitteres am Markt. Aus der herben Wildmöhre ist die süße Karotte geworden. Der belanglose Golden Delicious hat den Apfelmarkt aufgeräumt. Das geht soweit, dass in Richtung Bitter-Blockern geforscht wird, um diesen Sonderling unter den Geschmäckern vor der wachsamen Zunge zu tarnen. Trotzdem erleben wir gerade jetzt eine Renaissance des Bitteren. Dunkle Schokolade ist ein großes Geschäft geworden. So auch der Handel mit exklusiven Olivenölen. Auf Salaten finden sich vermehrt Löwenzahn und Wildkräuter. In der Sterneküche wird Verkohlen als Geschmacksprovokation eingesetzt. Die bitteren Craft-Biere setzen Pils & Co ordentlich zu und kein sommerlicher Sonnenuntergang, der etwas auf sich hält, darf ohne Aperol Spritz über die Bühne gehen. Bitter ist back. Warum? Weil wir uns die Welt zu süß gemacht haben.