13/08/2022
„ ist das Thema meines Lebens und meiner Arbeit. Ich begleite Frauen, die mit ihrer Mutterschaft hadern oder sie sogar bereuen.“
Judith beschäftigt sich seit knapp sechs Jahren mit dem Thema Mutterglück – oder wenn das Glücksgefühl nicht da ist. Denn auch ihr fehlt das nach der Geburt ihrer Tochter: „Ich habe als Mutter einen langen Weg zurückgelegt: von unerträglich zu mütterlich, von Rabenmutter zu Phoenix. Dieser Prozess hat sechs Jahre gedauert und mich tief in meine Abgründe katapultiert.
Meine Tochter entstand aus einer Blitzbeziehung, kam überraschend und unerwartet. Als ich erfuhr, dass ich schwanger bin, überlegte ich bis zur 12. Woche, ob ich das wirklich schaffe. Ich ging zu Beratungsstellen, machte mir viele Gedanken. Als ich meine Entscheidung traf, war das vor allem gegen die Abtreibung – aber für das Kind? Das war noch ein weiter Weg. Die Schwangerschaft war kompliziert, ich lag monatelang im Krankenhaus.
Nach der Geburt hatte ich mit Neurodermitis zu kämpfen. Ich zog nach Berlin, begann Therapien und erkannte nach einer Weile, dass die Hautausschläge vor allem ein Symptom meines chaotischen Innenlebens waren. Ab da begann ich gezielt, vergangene Traumata aufzuarbeiten. Es war ein harter Weg, es kam vieles zum Vorschein, was mir nicht bewusst war. ‚Inneres Kind‘-Arbeit, Schattenarbeit – all das half mir dabei, mehr im Hier und Jetzt anzukommen. Je mehr ich meine Traumata aufarbeiten konnte, desto besser konnte ich die Beziehung zu meiner Tochter annehmen.
Heute bin ich glücklich in meiner Mutterrolle, sehe aber auch, dass das komplex ist. Ich möchte anderen Frauen helfen, ihren Weg zu finden. Unsere Gesellschaft glorifiziert das Muttersein zu sehr. Ich wünsche mir einen offenen Umgang mit Schattengefühlen, als Gegenentwurf zum Glorifizieren und den Erwartungen. Dass wir über Wut, Angst, Neid, Trauer und Reue innerhalb des Mutterseins offen reden können. Damit wir nicht glücklich sein MÜSSEN. Sondern es sein können. Dafür brauchen wir nicht nur Gespräche unter Frauen, Ehrlichkeit, Offenheit und Arbeit an den eigenen Wunden: Wir brauchen Männer im Boot, nicht als bloße Unterstützung, sondern als Mitmacher.“