09/03/2025
Wenn Männer trauern
Es sollte eine Beisetzung im Wald sein.
Der Gehende, ein Mann mit erfülltem Leben voller Herzlichkeit, Rebellion und Liebe zum Ursprünglichen, hatte sich auf den Weg in die Anderswelt gemacht.
Seine Familie und seine Freunde, hatten ihn in seinem Zuhause den Weg nach harten gesundheitlichen Prüfungen bereitet.
Der Abschied im Wald gestaltete sich herzlich, wertschätzend und humorvoll.
Die Familie, die Freunde eine Gruppe von gestandenen Männern und Frauen in Bikerkluft waren ergriffen und voller Lebendigkeit zugleich.
Es galt Abschied zu nehmen und die letzte Ehre zu erweisen. Das Bedürfnis letzte, wertschätzende Worte zu sprechen bestand ebenso bei der Familie wie auch bei den Freunden.
Zwei Männer, große Kerle kamen nach vorn und berichteten von gemeinsamen Erlebnissen, beschrieben ihre tiefe Freundschaft und ließen den Gehenden nochmals ganz lebendig werden.
Dies ging nicht einfach so, neben lachenden Worten kamen beide, jeder für sich immer wieder ins Stocken. Tränen erfüllte ihre Augen.
Auch mich berührte dieser Abschied sehr.
Hier zeigte sich, daß Männer ihr Herz öffnen, daß der Panzer fällt und Gefühle fließen.
„Stell Dich nicht so an“
„Jungen weinen nicht“
„Sei keine Memme“
„….och guck mal der heult wie ein Mädchen“
Wie oft habe ich mir das anhören müssen. Wie oft wurden mir Gefühle der Angst und Trauer verboten. Wie schnell mußte ich lernen hart und „männlich“ zu sein.
Ich bin in der glücklichen Situation nie einen Krieg erlebt haben zu müssen, nie erleben zu müssen wie ein Kamerad neben mir zerfetzt wurde und laut schreiend sterben mußte, nie faschistische Folter ertragen zu müssen, nie persönlich mit ansehen zu müssen wie Krieg aus Männern Mörder und Vergewaltiger formte.
Ich bin in der glücklichen Situation in einer Zeit zu leben, in der Männer langsam lernen dürfen Trauer zu zeigen. Gefühle zu zeigen und zu Leben ohne gleich diskreditiert zu werden.
Ich weiß aus eigener tiefer Erfahrung, daß Männer ein sehr starkes Trauma in sich tragen, dieses Trauma auf viele Ahnenerfahrungen beruht, aber auch daß es geheilt werden kann.
Nur mitfühlende Männer die sich ihrer Stärke bewußt sind und diese in jeder Situation leben, können für ein friedliches Miteinander wirken.
Daher lade ich jeden Mann ein, zu seinen Gefühlen zu stehen. Gezeigte Trauer nicht als Schwäche zu sehen, sondern als Ausdruck gelebten Mitgefühls.
TB