14/03/2020
Lieber Herr Spahn, liebe Verantwortliche in den Parteien,
es stimmt, dass ich es als Pflegekraft mir bewusst ausgesucht habe in diesem Beruf zu arbeiten.
Natürlich bin ich ein Profi und kann mit Tod, Alter, Krankheiten und Druck umgehen. Auch die Schichtarbeit und Überstunden sind mir vollkommen bewusst. Es gehört dazu. Wir arbeiten nun einmal mit Menschen und nicht mit Maschinen.
Aber um meinen Beruf auszuüben gehört auch ein gewisses Maß an Sicherheitsausstattung dazu, welches ein Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen hat.
Wenn ich sehe, dass es überall einen Mangel an Schutzmasken, Schutzkitteln und sogar Handschuhen gibt, dann ist da etwas falsch gelaufen.
Wenn ich lese und sehe, dass in Krankenhäusern und Pflegeheimen Desinfektionsmittel gestohlen werden, betreffende Lager aufgebrochen und geplündert werden und somit nicht mehr den Menschen zur Verfügung stehen, die sie benötigen, dann ist da etwas falsch gelaufen.
Wenn es Anordnungen aus Pflegeheimen und Krankenhäusern gibt, Sicherheitsausstattung mehrmals in einer Schicht zu benutzen oder sogar mit Kollegen zu teilen, dann ist da etwas falsch gelaufen.
Wenn Pflegekräfte, trotz Kontakt mit Infizierten weiter arbeiten sollen, für sie die Bestimmungen der Quarantäne (RKI) nicht gelten, man als Pflegekraft damit sich selbst, seine Familie, Freunde und vor allem auch die Patienten/Bewohner gefährdet, dann ist da etwas mehr als falsch gelaufen.
Wenn der Staat nicht genügend Sicherheitsausstattung zu gegebener Zeit für einen solchen Fall vorhalten kann und sich nun die Einkaufspreise mittlerweile versechsfacht haben und im Ausland bestellte Ausrüstung erst nach Monaten eintrifft, dann ist da etwas falsch gelaufen.
Wenn von den Verantwortlichen und der Politik ein Aufopferungsanspruch an die Pflegekräfte formuliert wird, bei welchem die Pflegekräfte für wirtschaftliche Interessen „verheizt“ und zu Menschen zweiter Klasse degradiert werden, dann ist sehr viel falsch gelaufen.
Wir befinden uns in einer Situation, in der Pflegekräfte von Verantwortlichen und Politik wieder in die alte Schiene von Demut und Aufopferung gepresst werden sollen.
Eine Wertschätzung findet nicht statt. Ganz nach dem Motto: „Eine Pflegekraft muss das können, man hat sich den Beruf ja ausgesucht.“
Seit Jahrzehnten werden unsere Stellen abgebaut und wir werden schlecht bezahlt. Wir sind nur ein „Kostenfaktor“.
Unsere Arbeitsbelastung ist an einem Punkt angekommen, an welchem wir unserem Beruf nicht mehr nachkommen können. Die Dokumentation und der unglaubliche Wasserkopf an Standards, QM und Abläufen, die in Hinterzimmern von Experten eingeführt werden, nehmen uns die Luft zum Atmen am Bett.
„Wer schreibt der bleibt“, heißt es oft. Das dabei Menschen zu Nummern verkommen und Pflegekräfte auf der Strecke bleiben, vollkommen egal. Auch die Kontrollinstanzen schauen meist dabei zu. Der gesunde Menschenverstand fehlt komplett.
Wir Pflegekräfte fangen schon lange, viel zu lange, dieses kranke Gesundheitssystem auf.
Ein Gesundheitssystem, welches nur noch funktioniert, weil wir noch nicht komplett aufgegeben haben. Weil uns die Menschen nicht „scheißegal“ sind und wir nicht hinter jeder Tätigkeit eine Gewinnsumme sehen.
Wir sind in allen Bereichen der Pflege am Limit angekommen!
Natürlich kann man sich auf eine Infektionswelle nie komplett vorbereiten. Aber sie trifft uns auch deshalb gerade mit voller Wucht, weil sie alle seit Jahren auf dem Rücken der Pflegekräfte das Gesundheitssystem absolut auf Kante fahren um nur irgendwie Gewinne und Rendite zu generieren.
Wir Pflegekräfte sind keine Menschen zweiter Klasse, sondern essentiell für diese Gesellschaft.
Und genau darum sage ich, müssen wir es als pflegerisches Personal nicht hinnehmen für diese Missstände mit unserer eigenen Gesundheit zu bezahlen.
Es reicht jetzt!
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Heyde
„Pflegekräfte in Not“