30/06/2022
Welpen und Junghunde aus physiotherapeutischer Sicht
Einen Welpen bei sich aufzunehmen und ihn aufwachsen zu sehen ist ein großer Traum vieler Hundeliebhaber. Ist der Welpe endlich eingezogen, kommen häufig viele Fragen auf. Wie lange darf der Welpe laufen? Was ist zu wenig und was zu viel Belastung? Darf der Welpe Treppen laufen?
Grundsätzlich gilt: das gesunde Mittelmaß finden. Eine zu frühe, zu intensive Belastung kann ebenso schädlich für den Organismus sein wie zu wenig. Über die maximale Belastung von Welpen oder die Auswirkungen von häufigem Treppensteigen gibt es bislang keine aussagekräftigen Studien.
In erster Linie sollte sich jeder Hundebesitzer diesem Thema also mit gesundem Menschenverstand nähern.
Schauen wir uns doch einmal an, welche Strukturen überhaupt geschädigt werden können:
Die Wachstumsfugen (Epiphysenfugen) sind eine knorpelige Gewebeschicht an beiden Enden der Röhrenknochen, die für das Längenwachstum der Röhrenknochen zuständig sind. Ist das Wachstum abgeschlossen (je nach Größe des Hundes nach 12-18 Monaten), verknöchern die Wachstumsfugen. Kommt es während der Wachstumsphase zu großen Überbelastungen, kann dies zu einer Stufenbildung im Gelenk und im weiteren Verlauf zu einer Arthrose führen.
Das Kreuzbein verknöchert je nach Größe des Hundes nach etwa 18 Monaten. Bis dahin kann eine zu hohe Belastung durch Zug- oder Sprungbelastungen zu einer Instabilität im Kreuzdarmbeingelenk führen.
Der Gelenkknorpel und der darunter gelegene Knochen (subchondraler Knochen) können ebenfalls Schaden durch eine zu starke Belastung nehmen. Der Knorpel ist für die reibungslose Funktion eines Gelenkes zuständig, der subchondrale Knochen übernimmt 30% der Stoßdämpferfunktion bei Belastung. Eine ernsthafte Schädigung des Knorpels durch starke Überlastung kann auch hier langfristige Schäden verursachen.
Aber warum ist es dann auch falsch, seinen Welpen so wenig wie möglich zu belasten? In mehreren Quellen findet man Faustregeln wie “eine Minute pro Lebenswoche” oder “5 Minuten pro Lebensmonat”. Nehmen wir als Beispiel einen 6-monatigen Welpen, so dürfte dieser genau 25 Minuten am Stück laufen. Je nachdem, wie fit und aktiv der Welpe ist, kann es sein, dass er nach dieser Zeit überhaupt nicht ausgelastet ist oder dass diese Belastung für seinen Bewegungsapparat schlicht nicht ausreicht. Die Folge: der Welpe entwickelt zu wenig stützende Muskulatur, das muskuloskelettale System wird instabil und die Gelenke werden stärker belastet. Das Verletzungsrisiko und die Gefahr von langfristigen Knorpelschäden steigt in diesem Szenario ebenfalls.
Das liegt daran, dass Knorpel, Knochen, Sehnen, Bänder, Faszien und Muskeln belastet werden müssen, damit sie stärker und widerstandsfähiger werden. Alle Strukturen des Körpers passen sich an die an ihn gestellten Anforderungen an.
Was bedeutet das aber jetzt konkret?
Wichtig ist, dass Belastungen (also zum Beispiel die Dauer und Intensität von Spaziergängen) langsam und gezielt gesteigert werden, um Belastungsspitzen zu vermeiden. Darüber hinaus solltet ihr auf Ermüdungsanzeichen bei eurem Welpen achten und die Belastung entsprechend anpassen. Auch die Spielzeit eines Welpen sollte zeitlich begrenzt werden, vor allem wenn es sich um einen Hund handelt, der von selbst nicht zur Ruhe kommt. Bei kleinen Rassen solltet ihr darauf achten, dass der Spielkamerad in etwa gleich groß oder sehr vorsichtig ist. Welpen sind sich ihrer Kraft nicht bewusst und können sich im Spiel versehentlich gegenseitig verletzen (zum Beispiel durch umrennen).
Wie verhält es sich nun aber mit dem Treppensteigen?
Stellt man sich einmal vor, wie ein Hund einen steilen Abhang hinauf und hinunter läuft und vergleicht dies mit dem Treppenlaufen, so ist die Belastung auf den Bewegungsapparat nicht so viel anders. Vorsicht geboten ist allerdings bei sehr kleinen Hunden, die die Treppenstufen rauf und runter springen müssen- hierbei erfolgt eine sehr hohe Belastung der Gelenke und der Wirbelsäule. Darüber hinaus muss auch das Treppenlaufen vom Hund erlernt werden und sollte erst dann langsam gesteigert werden. Wichtig ist vor allem, dass der Hund die Treppen nicht hastig bewältigt und springt, sondern langsam und Stufe für Stufe bewältigt. Und auch hier gilt: die Dosis macht das Gift! Natürlich ist es durchaus vernünftig, einen 12 Wochen alten Welpen die Treppe hoch und runter zu tragen. Im Laufe der Zeit fängt man dann langsam an, ihn 1, 2 oder 3 Stufen selbst bewältigen zu lassen und steigert dies dann progressiv.
Ball- und Wurfspiele, Sprünge über Hürden, Zugsport (auch starkes und ständiges an der Leine ziehen!), enge Kurven mit hoher Geschwindigkeit und heftige Zerrspiele sind ebenfalls starke Belastungssituationen, die bei Welpen und Junghunden schnell zu Schädigungen und Verletzungen führen können.
Hier also meine Empfehlungen:
- Spaziergänge langsam steigern
- Ermüdungsanzeichen beachten
- Spielzeiten zeitlich begrenzen
- Spielpartner in etwa der gleichen Größe auswählen
- Treppen dosiert, langsam und mit Unterstützung (am Geschirr) laufen
- Trabtraining (joggen) ab 12 Monaten beginnen, langsam steigern
- Trabtraining am Rad ab 18 Monaten beginnen, langsam steigern
- Körpergefühl, Koordination und Balance von Anfang an schulen!
- propriozeptives Training über verschiedene Untergründe von Anfang an fördern!
- Hundesport (v.a. Sprung- und Zugsport) ab dem 18. Lebensmonat
Bei Fragen bin ich jederzeit für euch da!
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