16/08/2025
Recht-Aktuell vom 16.08.2025
Heute: Lohnt sich Arbeiten in Deutschland noch?
Oder anders gefragt: Ist das Bürgergeld ungerecht gegenüber den Menschen, die arbeiten? Eine neue Studie zu Mindestlohn und Bürgergeld klärt auf. Vielleicht werden sogar einige Vorurteile ausgeräumt?
Das sind die Details:
1. Mindestlohn
• Ausgangslage einer vergleichenden Betrachtung ist der derzeitige Mindestlohn von 12,82 € pro Stunde
• bei einer durchschnittlichen Stundenanzahl von 38,2 Stunden pro Woche beträgt der Monatslohn 2.121,58 € Brutto
• hiervon sind Steuern und Sozialabgaben abzuziehen, so dass grundsätzlich 1.546 € netto verbleiben
2. Bürgergeld
• der Regelsatz beträgt 563 €
• hinzu kommen die Kosten für die Unterkunft
• der Rundfunkbeitrag wird auch regelmäßig übernommen
3. vergleichende Betrachtung von Einkommen mit und Einkommen ohne Erwerbstätigkeit
hierbei zählen zum gesamten
• Haushaltseinkommen der Bürgergeld-Regelsatz bzw. bei Erwerbstätigen das Nettoeinkommen nach Mindestlohn sowie alle Ansprüche auf zusätzliche Leistungen (z.B: Kosten der Unterkunft für Bürgergeld-Empfängern bzw. Wohngeld für Erwerbstätige und Kinderzuschlag bei Haushalten mit geringem Einkommen)
• die tatsächlichen Wohnkosten sind noch nicht abgezogen
1. Fall – Single (alleinstehender Mann)
- Haushaltseinkommen mit Mindestlohn : 1.572 €
- Haushaltseinkommen mit Bürgergeld: 1.015 €
- Differenz: 557 €
2. Fall – alleinerziehende Frau mit 5-jährigem Kind
- Haushaltseinkommen mit Mindestlohn: 2.532 €
- Haushaltseinkommen mit Bürgergeld: 1.783 €
- Differenz: 749 €
3. Fall - Familie mit 2 Kindern (5 und 14 Jahre),
mit einem Alleinverdiener
- Haushaltseinkommen mit Mindestlohn: 3.414 €
- Haushaltseinkommen mit Bürgergeld: 2.754 €
- Differenz: 660 €
4. rechnerisches Ergebnis
• die Erwerstätigen haben in allen 3 Beispielen ein plus von 557 €, 660 € bzw. 749 €
• damit haben sie deutlich mehr Geld als Bezieher von Bügergeld
• das steht an sich in Widerspruch zur Behauptung, dass das Bürgergeld so hoch ist, dass der Anreiz fehlt, zu gering entlohnte Arbeit aufzunehmen
• umso höher aber die Mieten tasächlich sind, umso kleiner wird der Abstand
• in München beträgt der Abstand dann nur noch 379 € und in Hamburg 493 €
•also: Arbeit lohnt danach immer!
5. Fazit
• die Diskussion wird damit wohl trotzdem nicht beendet sein
• in einer Focus -Umfrage aus 2023 meinten 89 % der Befragten, dass das Bürgergeld zu hoch ist
• denn immerhin geht der Arbeitnehmer z.B um 06.00 Uhr aus dem Haus, um nach ca. 8 Stunden Arbeit gegen 16.00 Uhr geschafft nach Hause zu kommen
• in der gleichen Zeit hat der Bürgergeldempfänger, um es einmal lax zu formulieren, „die Beine hochgelegt“
• wenn wir einmal den mittleren Betrag von 660 € nehmen, hat der Arbeitende arbeitstäglich ca. 30 € täglich mehr zur Verfügung
• das wäre dann ein Stundenlohn von ca. 4 €, den er mehr als der Bürgergeldempfänger erhält
• die Schere wird zugunsten der Arbeitenden weiter auseinandergehen, wenn der Mindestlohn, wie angekündigt, zum 01.01.2026 auf 13,90 € erhöht wird und zum 01.01.2027 auf 14,60 € steigt
• umso höher das Einkommen, umso größer auch der Unterschied zum Bürgergeld
• die von der Koalition angekündigten Reformen zum Bürgergeld bzw. der Umbau zur „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“ lassen auf sich warten….
• Bedarf besteht wohl auf jedem Fall bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums usw.
So, das Ganze haben wir natürlich nicht ausgerechnet, denn wir sind ja „nur“ Juristen und keine Mathematiker.
Diese aktuelle Studie kommt vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Wir sind - wie immer – auf Eure Meinungen gespannt und wünschen angeregte Disskussionen.
Damit wünschen wir Euch ein schönes Wochenende! Das Wetter haben wir bereits für Euch bestellt, also macht was draus!
Eure Rechtsanwälte
Thomas Krafczik und Kathrin Bliefert