20/12/2024
**Revolution in der Gehirnforschung: „Brain Sculpting“ eröffnet neue Wege des Lernens**
Stell dir vor, man könnte die Aktivität im menschlichen Gehirn so umgestalten, dass es schneller lernt oder besser auf psychische und entwicklungsbedingte Störungen wie Depression oder Autismus reagiert – ganz ohne Gehirnoperation oder physische Eingriffe. Science-Fiction? Noch ja, aber Forschende um Coraline Iordan, Assistenzprofessorin für Gehirn- und Kognitionswissenschaften an der University of Rochester, haben einen entscheidenden Schritt in diese Richtung gemacht.
Zum ersten Mal gelang es Iordan und ihrem Team, neue Muster in die Gehirnaktivität einzuschreiben, die Lernen ermöglichen – konkret das Erlernen neuer visueller Kategorien von Objekten. Ihre bahnbrechende Forschung wurde in den *Proceedings of the National Academy of Sciences* veröffentlicht.
**„Brain Sculpting“ – eine neue Methode des Lernens?**
Mit Echtzeit-Neuroimaging und sekundenaktueller Neurofeedback-Technologie manipulierten die Wissenschaftler*innen, wie das Gehirn Informationen über visuelle Objekte verarbeitet. Studienteilnehmer*innen lagen in einem funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRT) und betrachteten abstrakte Formen, die ihnen auf einem Spiegel über dem Kopf projiziert wurden. Diese Formen – beschrieben als „Blütenblatt“, „Pflanzenknolle“ oder „Schmetterling“ – wackelten sanft, bis die Teilnehmenden es durch Gedanken schafften, sie zu stabilisieren.
Das Besondere: Den Teilnehmenden wurde nicht gesagt, *wie* sie diesen mentalen Zustand erreichen sollten. Mithilfe von Neurofeedback schafften sie es dennoch, ihre Gehirnaktivität so zu verändern, dass sie der zuvor von den Forschenden definierten Aktivitätsstruktur entsprach. Dadurch lernten sie, neue Objektkategorien wahrzunehmen, ohne sich dessen bewusst zu sein.
**„Neue Muster direkt ins Gehirn schreiben“**
„Anstatt Menschen etwas beizubringen und zu messen, wie sich ihr Gehirn verändert, haben wir eine neue Kategorie direkt in ihr Gehirn geschrieben“, erklärt Iordan. Und es funktionierte: Die Teilnehmer*innen konnten die neue Kategorie erkennen.
Jonathan Cohen, Kognitionswissenschaftler an der Princeton University und Co-Autor der Studie, fügt hinzu: „Die Ergebnisse zeigen, dass implizites Lernen – also die Fähigkeit, Informationen unbewusst zu verarbeiten – auch die Bildung neuer neuronaler Repräsentationen umfasst.“
**Motivation durch Belohnung**
Um die Teilnehmer*innen zu motivieren, erhielten sie eine finanzielle Belohnung, wenn sie es schafften, die Bewegung des Bildes zu stoppen. Über sechs tägliche Sitzungen konnten sie so ein ansehnliches Bonusgeld verdienen.
Diese bahnbrechende Methode könnte in Zukunft das Lernen revolutionieren und neue Ansätze für die Behandlung neurologischer und psychischer Störungen eröffnen.
“Sculpting new visual categories into the human brain” by Coraline Iordan et al. PNAS
December 3, 2024
121 (50) e2410445121
https://doi.org/10.1073/pnas.2410445121