16/07/2025
Vor wenigen Tagen schrieb mich -zum wiederholten Mal- ein Start-Up Unternehmen an, ob ich Lust hätte, meine Patienten- und Kundengespräche zu „avatarisieren“. In der Signatur stand, ganz zeitgemäß natürlich, „gerne DU“, aber keine Telefonnummer mehr für einen echten Austausch. Der junge Produktmanager bot mir an, einen „digitalen Dr. Busch“ zu bauen, der dann an meiner statt Erstkontakte zu Kunden herstellen, lästige Pflicht-Emails beantworten und Geburtstagsgrüße versenden könne. Er hielt es für eine clevere (und charmante) Idee, die „zeitraubende“ Kommunikation mit meinen Mitmenschen zu virtualisieren und automatisieren, damit ich „Zeit für wichtigere Dinge“ hätte. 🤦♂️
Daraufhin schrieb ich ihm zurück und fragte ihn, was ich dann mit meiner ganzen „freien Zeit“ machen solle, wo doch die wirklich Begegnung mit Menschen, das aufmerksame Zuhören, das gemeinsame Gespräch und das Ringen um gute Lösungen mein tägliches Tun sei? Ich erhielt keine Antwort mehr… 🤷♂️
Innovationsforscher sprechen von „Hyperadoption“, wenn eine technische oder kulturelle Neuerung so unkritisch verwendet und gesellschaftlich verbreitet wird, dass die Menschen kaum mit der Beantwortung der Frage hinterher kommen: Warum eigentlich? So scheint es mir derzeit auch bei der Einführung künstlich intelligenter Techniken zu sein. Sie funktionieren, also nutze ich sie. Die Frage, ob es sinnvoll ist, stellt sich da kaum.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich will Avataren hier nicht ihren generellen Nutzen absprechen. Vielleicht können sie in ausgesuchten Situationen aushelfen, wo eine echte Kommunikation zwischen Menschen nicht möglich ist. Aber darüber hinaus?
Machen wir uns doch ehrlich: Wir erleben heute, dass es Menschen in ihrer zunehmend sozialen Vereinzelung immer weniger gelingt, einen stabilen Kontakt aufzubauen, Blickkontakt in einem Gespräch zu halten, mögliche negative Gefühle miteinander zu teilen, oder ggf. fair und respektvoll miteinander zu streiten. Ich sehe, dass viele Menschen gerade bei schwierigen Themen lieber eine WhatsApp schreiben, statt kurz zu telefonieren und die Sache auf eine gute Weise zu klären. Ist da eine immer weiter verkünstelnde menschliche Kommunikation wirklich zielführend? Oder trainiert es uns die Fähigkeit nicht noch weiter ab, aufeinander zuzugehen und uns in einem guten Maß „auseinander zu setzen“? 🤔
Avatare erscheinen mir im Allgemeinen kein erstrebenswertes Ziel für Menschen in der Zukunft zu sein, sondern eher das Menetekel einer unheilvollen Entwicklung, die sich seit Jahren in unserer Gesellschaft vollzieht. In dieser kompliziert gewordenen Welt werden wir aber nicht weniger (echte) menschliche Kommunikation brauchen – sondern mehr davon! 🧠