26/07/2025
Was enge Nasenriemen beim Pferd auslösen – wissenschaftlich belegt
Eine neue Studie (Hopkins et al., 2025) zeigt, dass der Druck unter dem Nasenriemen bei null Finger Spielraum auf bis zu 115,8 kPa ansteigt. Das entspricht einer Steigerung von 338 Prozent im Vergleich zur lockeren Einstellung mit zwei Fingern. Zum Vergleich: In der Humanmedizin gilt schon ein Druck ab 32 kPa als kritisch, weil er die Durchblutung behindert und Gewebeschäden verursacht. Pferde sind an dieser Stelle ähnlich empfindlich – die betroffene Zone liegt direkt über Knochen, Nerven, feinen Blutgefäßen und dem sensiblen Nasenbein.
Je enger der Nasenriemen, desto kürzer wird die Schrittlänge. In der Studie wurde bei maximaler Enge eine Reduktion um bis zu 24 Zentimeter festgestellt. Das Pferd verliert Raumgriff, Takt und Bewegungsfreude. Es geht kürzer, weil es sich schützt.
Zusätzlich zeigen andere Studien, dass der Druck unter dem Kiefer – also unterhalb der Mandibula – oft noch höher ist. Gerade bei schwedischen oder kombinierten Nasenriemen mit Sperrriemen entstehen zusätzliche Druckzonen, die weder gesehen noch ausgeglichen werden können.
Biomechanisch betrachtet führt ein zu enger Nasenriemen zu einer Blockade im gesamten vorderen Faszien- und Nervensystem. Die Zunge kann sich nicht mehr frei bewegen, das Schlucken wird eingeschränkt, das Kiefergelenk wird starr. Die Verbindung von Maul, Zunge, Zungenbein und Nackenmuskulatur – zentral für Balance, Losgelassenheit und Atmung – wird gestört. Das Pferd kann nicht mehr regulieren. Es funktioniert – aber es fühlt nicht mehr.
Pferde, die unter zu engem Druck geritten werden, zeigen häufig deutlich erkennbare Stresszeichen: kein Abschnauben, kein Lecken, kein Zungenspiel, starre Mimik, Maul fest geschlossen, Kopf hinter der Senkrechten. Der sogenannte Ridden Horse Pain Ethogram (RHpE), also ein wissenschaftlich erfasster Schmerzausdruck beim Reiten, ist bei enger Verschnallung signifikant höher.
Diese Ergebnisse gelten unabhängig vom Ausbildungsstand, unabhängig vom Reitstil und unabhängig davon, wie gut jemand reitet. Denn ein zu enger Riemen ist kein Missverständnis. Er ist eine Entscheidung.
Ein Pferd kann unter Druck nicht loslassen. Es kann nicht lernen, nicht zuhören, nicht mitarbeiten. Wer Rittigkeit erwartet, muss Losgelassenheit ermöglichen. Wer Losgelassenheit will, muss Druck reduzieren.
Diese Daten sind keine Meinung. Sie sind messbar. Sie sind sichtbar im Gangbild. Sie sind belegbar in der Physiologie.
Sie fordern nicht nur zum Umdenken auf – sie machen es zwingend notwendig. Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN)fn_pferdesport
Hopkins et al. (2025): “Tight nosebands apply high pressures and are associated with reduced stride length in ridden horses”
Veröffentlicht im Journal of Equine Veterinary Science
→ https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40692035