Praxis für integrative Lerntherapie

Praxis für integrative Lerntherapie Integrative Lerntherapie
für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren in den Landkreisen Kitzingen und Schweinfurt

Mobile Lerntherapie im Landkreis Kitzingen und Landkreis Schweinfurt
Hilfe vor Ort

14/04/2025

Die dargestellte Szene in diesem Bild ist mehr als nur eine Illustration – sie ist eine Kritik. Der Roboter spielt ein traditionelles Kinderspiel, während das eigentliche Kind, von dem man erwarten würde, draußen zu spielen, stattdessen in virtuelle Welten abgetaucht ist. Dieses Bild symbolisiert die Umkehrung dessen, was als natürlich und normal galt: Nicht mehr die Kinder entdecken die Welt durch Bewegung, Spiel und soziale Interaktion – es sind nun Maschinen, die menschliche Tätigkeiten nachahmen, während der Mensch sich in der digitalen Sphäre verliert.

Diese Entwicklung ist sinnbildlich für unsere Zeit. Digitale Medien dominieren nicht nur die Freizeitgestaltung von Kindern, sondern beeinflussen auch zunehmend ihre Entwicklung, Kreativität und soziale Kompetenz. Der kindliche Bewegungsdrang, das Bedürfnis nach realer Welt, nach Berührung, Geräusch, Miteinander – all das wird ersetzt durch künstliches Licht, Touchscreens und Algorithmen. Was früher draußen unter freiem Himmel stattfand, spielt sich heute im Sitzen, allein und in virtuellen Räumen ab.

Dabei liegt die Ironie offen zutage: Maschinen imitieren menschliches Verhalten, weil sie auf diese Weise „menschlich“ wirken sollen. Doch während sie lernen, was einst Kinder selbstverständlich taten, verlernen die Kinder selbst genau diese Dinge.

Das Bild wirft die Frage auf: Wollen wir eine Zukunft, in der Roboter unsere Vergangenheit bewahren, weil wir sie selbst vergessen haben?
Wir stehen an einem Scheideweg – es liegt an uns, ob wir die Technologie als Werkzeug einsetzen, oder uns selbst zu deren Diener machen.

Kindheit darf nicht digitalisiert werden.
Sie muss gelebt, gespürt und erfahren werden – mit echten Freunden, auf echtem Asphalt, unter echtem Himmel.

„Alarmsignale kann man häufig bereits im Vorschulalter erkennen“Manche Kinder können Zahlen schwer einordnen, Mengen kau...
16/03/2025

„Alarmsignale kann man häufig bereits im Vorschulalter erkennen“

Manche Kinder können Zahlen schwer einordnen, Mengen kaum abschätzen, hadern mit dem Zählen: Sie leiden an einer Rechenschwäche. Die Last kann für Grundschulkinder zu schweren Depressionen führen. Dabei gibt es schon früh Hinweise und Wege, wie man den Kindern helfen kann.

Nicht wissen, ob die Zahl Acht größer oder kleiner ist als die Zahl Fünf. Schwierigkeiten beim Abzählen von Gegenständen und dabei, Mengen zu erfassen. All das können Anzeichen sein, dass das Kind von der Rechenschwäche Dyskalkulie betroffen ist. Ursache ist eine neurobiologische Störung. „Sie ist genetisch bedingt“, sagt Annette Höinghaus, Sprecherin des Bundesverbands Legasthenie und Dyskalkulie in Bad Münstereifel. „Kinder entwickeln dann nicht automatisch wie andere Kinder ein Mengenverständnis, obwohl sie genauso begabt sind wie alle anderen auch.“ Das könne bis ins Erwachsenenalter mit Beeinträchtigungen einhergehen.

„Dyskalkulie ist in Deutschland noch nicht so bekannt wie Legasthenie, man erkennt sie oftmals nicht, die Diagnose erfolgt erst spät“, beklagt Höinghaus. Laut einigen Studien leiden drei bis sieben Prozent der Menschen unter Dyskalkulie – definiert nach ICD-10, dem Klassifikationsschema der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Kosten einer Therapie müssen laut dem Bundesverband in der Regel privat getragen werden, in einigen Fällen übernimmt das Jugendamt sie.

„Alarmsignale kann man häufig bereits im Vorschulalter erkennen“, weiß Susanne Kraut aus Alzenau bei Aschaffenburg. Seit etwa zehn Jahren ist sie Dyskalkulie-Therapeutin. Viele Eltern wie Lehrer könnten die Symptome nicht zuordnen, sagt sie. Es gehe nicht nur um Auffälligkeiten beim Zählen und Umgang mit Mengen. Auch Probleme bei der Auge-Hand-Koordination könnten Hinweise sein. Betroffene Kinder mieden oft das Puzzeln, Lego-Spielen oder auch das Malen.

Als Signale in der ersten und zweiten Klasse nennt Kraut das häufige Verrechnen um eins, Fingerrechnen, Probleme beim Zehnerübergang oder dass Ziffern verdreht oder falsche Rechenarten angewandt werden. Kraut: „Auffällig ist, wenn die Mathe-Hausaufgaben nachmittags kein Ende nehmen und das Fach in der Schule angstbesetzt ist.“

Prüfungsangst als Folge
In der Folge sei häufig Prüfungs- oder Schulangst zu beobachten. Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung seien mitunter parallel vorhanden. Dazu komme manchmal eine Anpassungsstörung bis hin zur Depression. „Ich habe leider mehrfach erleben müssen, dass bereits Erst- oder Zweitklässler suizidale Gedanken aufgrund ihrer Rechenprobleme und der Situation in der Schule geäußert haben“, berichtet die Therapeutin. Sie verweist auf eine Studie, veröffentlicht 2019 im „Deutschen Ärzteblatt“, aus der hervorgehe, dass die Wahrscheinlichkeit, depressive Symptome zu entwickeln und später arbeitslos zu werden, erhöht sei.

„Eltern wenden sich an mich, wenn sie den Weg zum Kinder- und Jugendpsychiater gefunden und die Diagnose bei ihrem Kind vorliegen haben, was oft viel zu lange dauert“, sagt Kraut. Ziel der Therapie sei die Stärkung des Selbstwertgefühls des Kindes, den Fokus auf seine Stärken und Begabungen zu lenken.

Wichtig ist spezielles Training der mathematischen Fähigkeiten: Grundlegende Anforderungen sollen im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden, wie Additions- und Subtraktionsaufgaben im Zahlenraum bis 20 mit Zehnerübergang, wie Kraut erklärt.

Um Rechnungen zu „begreifen“, werden Aufgaben zuerst mit Materialien erarbeitet, im nächsten Schritt bildhaft, symbolisch und dann erst mit Zahlen. Zum Beispiel: Lautet die Rechenaufgabe 12 minus 5, werden zuerst eine Zehnerstange und Einerwürfel genutzt, dann folgt die Darstellung mit roten Punkten für die Einer und einem blauen Strich für die Zehnerstange und dann erst das Rechnen mit Zahlen.

Wie Eltern ihren Kindern beim Rechnen helfen können
Eltern können mithelfen, indem sie dem Kind spielerisch im Alltag ein Mengen- und Zahlenverständnis vermitteln, man gemeinsam Mengen beim Kochen oder Backen abwiegt, Entfernungen abmisst und mit dem Kind die Uhrzeit zu verstehen übt, wie Höinghaus ergänzt. Wichtig seien Erfolgserlebnisse.

„Häufig ist ein Kind, das bereits die dritte Klasse besucht, noch auf dem Rechenniveau eines Erstklässlers“, erklärt die Expertin. Umso wichtiger sei darum, dass die Lehrkräfte die Schüler dort abholten, wo sie stünden und Verständnis dafür zeigten, dass den Kindern noch viele Basisfertigkeiten des Rechnens fehlten. Sie plädiert – wie bei Legasthenie – für einen Nachteilsausgleich in Form eines Zeitzuschlages oder Überlassung von Hilfsmitteln bei Tests und Klassenarbeiten.

Beide Expertinnen fordern eine bundeseinheitliche Anerkennung der Dyskalkulie. „In einigen Bundesländern gibt es für die Grundschulzeit die Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs oder zurückhaltende Benotung“, erklärt Höinghaus. Aber diese Möglichkeit ende mit der Grundschulzeit.

Claudia Kroll-Kubin, epd/wb

ADHS und der DarmKinder, die mit Konzentrationsproblemen, starkem Bewegungsdrang oder einem hohen Aufmerksamkeitsbedarf ...
16/03/2025

ADHS und der Darm
Kinder, die mit Konzentrationsproblemen, starkem Bewegungsdrang oder einem hohen Aufmerksamkeitsbedarf kämpfen, stehen oft im Fokus der ADHS-Diagnostik. Die herkömmliche Behandlung mit Medikamenten birgt jedoch Risiken: Nebenwirkungen können den Alltag zusätzlich belasten und Eltern vor schwierige Entscheidungen stellen.

Aktuelle Forschungsergebnisse liefern nun spannende Erkenntnisse: Immer mehr Studien weisen auf eine mögliche Verbindung zwischen der Darmflora und neurologischen Störungen wie ADHS hin.

Was genau steckt hinter AD(H)S?

Die Aufmerksamkeitsstörung (ADS) oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zählt zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. In Deutschland sind etwa 2 bis 6 Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen. Typische Symptome sind Hyperaktivität, Konzentrationsprobleme und Impulsivität.

Von Schwierigkeiten im Kindergarten und in der Schule über Herausforderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen bis hin zu Problemen mit Organisation und Zeitmanagement im Alltag sowie im Arbeitsleben – Menschen mit ADHS können eine große Bandbreite an Hindernissen erleben. Aber auch kleinere Verhaltensauffälligkeiten wie übermäßige Energie, leichte Unaufmerksamkeit oder gelegentliche Impulsivität können Eltern vor Fragen und Herausforderungen stellen.

ADHS gilt als komplexe Störung, die durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, darunter genetische, neurobiologische und Umweltfaktoren. Trotz langjähriger Forschung ist die genaue Abfolge der pathologischen Ereignisse, die ADHS zugrunde liegen, noch nicht vollständig geklärt.

Entsprechend konzentriert sich die herkömmliche Behandlung von ADHS meist auf Medikamente, die die Konzentration von Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin im Gehirn erhöhen. Dadurch sollen Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Motivation reguliert werden. Das Problem: Sie bringen ganz eigene Herausforderungen in Gestalt verschiedener Nebenwirkungen mit sich, darunter Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Und das sind nur einige der möglichen Begleiterscheinungen, die die Betroffenen zusätzlich im Alltag belasten können.

Wie kommt nun der Darm ins Spiel?

In jüngster Zeit haben Forscher die Suche nach den Ursprüngen von ADHS noch einmal intensiviert. Dabei sind sie auf einen überraschenden und bisher vernachlässigten Zusammenhang gestoßen: die Beziehung zwischen ADHS und dem Darm! Denn über die sogenannte Darm-Hirn-Achse stehen Gehirn und Darm stets in engem Austausch und kommunizieren über neurologische (also nervliche) und hormonelle Kanäle, aber auch über Immunreaktionen miteinander.

Diese Verbindung ist bidirektional: Einerseits steuert das Gehirn die Darmfunktionen, andererseits zeigen neuere Studien, dass der Darm Einfluss auf die Stimmung, kognitive Funktionen sowie die psychische Gesundheit nehmen kann. Ein wichtiger Faktor scheint dabei das Darmmikrobiom zu sein.

Liegt eine Dysbiose vor, kann sich das auf so unterschiedliche Bereiche wie Müdigkeit und Erschöpfung, Übergewicht, Allergien und einiges mehr negativ auswirken – und eventuell auch auf die Ausprägung von ADHS?

ADHS und Mikrobiom – das sagt die Wissenschaft

Um dieser Frage genauer auf den Grund zu gehen, führte ein deutsches Forschungsteam eine Studie durch, in der anhand von Stuhlproben das Darmmikrobiom von Kindern mit ADHS untersucht wurde. Um ein möglichst klares Ergebnis zu erhalten, stellte es sicher, dass alle Kinder vergleichbare Voraussetzungen hinsichtlich Alter, Gewicht, Herkunft oder Wohnort, aber auch in Bezug auf ihre Ernährungsgewohnheiten sowie Medikamenteneinnahme gegen die ADHS-Symptome erfüllten.

Das Ergebnis: Die Forscher konnten zeigen, dass Kinder mit ADHS im Vergleich zu Kindern ohne ADHS eine signifikant geringere Vielfalt und ein Ungleichgewicht im Darmmikrobiom aufweisen.

Kann es also wirklich sein, dass Bakterien „schuld“ an Verhaltensabweichungen sind? Dafür geben Wissenschaftler eine plausible Erklärung: Das Darmmikrobiom produziert verschiedene Neurotransmitter, die einen direkten Einfluss auf die Gehirnfunktion haben. Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe im Körper, die Signale von Nervenzellen zu Zielzellen übertragen. Sie spielen damit eine entscheidende Rolle im Nervensystem und regulieren zahlreiche Körperfunktionen wie Verdauung, Stimmung, Konzentration, Appetit oder Muskelbewegung.

Zu diesen gehört auch Serotonin, auch bekannt als „Glückshormon“. Es spielt bei sozial-emotionalem Verhalten eine große Rolle – unter anderem ist es für die Regulation der Stimmung, Informationsverarbeitung und unser Wohlbefinden verantwortlich. Wenn wir zu wenig Serotonin produzieren, können entsprechend Probleme in der Emotionsregulierung und im allgemeinen Wohlbefinden die Folge sein.

Da das Darmmikrobiom maßgeblich an der Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin beteiligt ist, kann eine Dysbalance des Darmmikrobioms also auch die Gehirnfunktion und das Verhalten beeinflussen – und damit eine Rolle bei Verhaltensstörungen wie ADHS spielen.

Diesen Ansatz untersuchten auch Forscher rund um den renommierten Professor Tomokazu Hata an der Kyushu Universität in Japan. Sie verglichen Mäuse mit intaktem Darmmikrobiom mit sogenannten „germ-free“ (GF) Mäusen, also Mäusen, die über kein eigenes Mikrobiom verfügen.

Das Ergebnis: Bei den bakterienfreien Mäusen war der Neurotransmitter Serotonin stark reduziert. In weiterer Folge des Experiments führten die Wissenschaftler den darmbakterienfreien Mäusen Darmbakterien zu, woraufhin ihre Serotonin-Werte nach nur drei Tagen anstiegen. So konnten sie zeigen, dass Veränderungen des Darmmikrobioms auf den Serotoninhaushalt wirken und damit am Ausbruch und der Ausprägung von Verhaltensabweichungen, die mit ADHS in Verbindung gebracht werden, mitbeteiligt sein können.

Besonders spannend ist auch die Mäusestudie von A. Tengeler in den Niederlanden: Die Forscherin transplantierte Mäusen das Darmmikrobiom von Menschen mit ADHS und verglich im Anschluss daran die Auswirkungen auf den Darm der Mäuse, ihr Gehirn und ihr Verhalten mit der Gruppe der Kontrollmäuse.

Das Ergebnis war verblüffend: Die Mäuse mit ADHS-Mikrobiom zeigten weniger intakte Hirnregionen der weißen und grauen Substanz, insbesondere im Bereich der Capsula interna („innere Kapsel“) und des Hippocampus. Diese Hirnregionen sind maßgeblich bei der Signalübertragung im Gehirn beteiligt, etwa für die Koordination von Bewegung und Sinneseindrücken sowie bei kognitiven Prozessen wie Lernen und Gedächtnis, Stimmung oder Anpassungsfähigkeit. Wenn diese Signalübertragungen gestört sind, können Probleme bei der Kommunikation zwischen verschiedenen Hirnregionen die Folge sein.

Vereinfacht gesagt zeigten die Mäuse mit dem Darmmikrobiom von ADHS-Betroffenen auch Auffälligkeiten in der Signalübertragung im Gehirn, welche typisch für ADHS sind.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Auch wenn aktuell noch verschiedene Wirkmechanismen untersucht werden, scheint doch festzustehen, dass das Darmmikrobiom eine wichtige Rolle bei neuropsychiatrischen Verhaltensstörungen, wie etwa ADHS, spielt. Zahlreiche Studien unterstreichen diesen Zusammenhang.

Weiterführende wissenschaftliche Literatur:
Prehn-Kristensen A, Zimmermann A, Tittmann L, Lieb W, Schreiber S, Baving L, et al. (2018) Reduced microbiome alpha diversity in young patients with ADHD. PLoS ONE 13(7): e0200728. https://doi.org/10.1371/journal. pone.0200728

Tengeler, A.C., Dam, S.A., Wiesmann, M. et al. Gut microbiota from persons with attention-deficit/hyperactivity disorder affects the brain in mice. Microbiome 8, 44 (2020). https://doi.org/10.1186/s40168-020-00816-x

Banerjee E, Nandagopal K. Does serotonin deficit mediate susceptibility to ADHD? Neurochem Int. 2015 Mar;82:52-68. doi: 10.1016/j.neuint.2015.02.001. Epub 2015 Feb 12. PMID: 25684070.

Checa-Ros, A.; Jeréz-Calero, A.; Molina-Carballo, A.; Campoy, C.; Muñoz-Hoyos, A. Current Evidence on the Role of the Gut Microbiome in ADHD Pathophysiology and Therapeutic Implications. Nutrients 2021, 13, 249. https://doi.org/10.3390/nu13010249

12/02/2025

“Streng dich doch mal an!” Legasthenie-Betroffene vermissen bei Lehrern häufig Geduld – und Expertise zum Thema

Legastheniker haben große Schwierigkeiten mit dem Lesen und/oder dem Schreiben. Das führt oft zu schulischen und emotionalen Problemen. Ein Betroffener berichtet.

Legasthenie ist eine komplexe Störung.
«Ich wusste nicht, ob ich einfach dumm bin», erinnert sich Sebastian. Der 27-Jährige aus Hessen, der seinen vollen Namen nicht in den Medien lesen möchte, ist Legastheniker. «Ich brauche viel Konzentration beim Lesen. Ansonsten verschwimmen die Buchstaben», schildert er. Das habe sich bei ihm schon in der Grundschule gezeigt. «Bei Diktaten habe ich immer grottenschlecht abgeschnitten, obwohl ich viel gelernt habe.» Dann habe es von den Lehrern oft geheißen: «Streng dich doch mal an.»

«Das war deprimierend», sagt Sebastian. «Das hat mir die Freude und Motivation genommen.» Nach und nach habe sich das auch auf seine Leistungen in anderen Fächern ausgewirkt, da überall – schnell – gelesen werden müsse und irgendwann die Rechtschreibung in allen Fächern in die Noten einfließe. Er habe sich ohnmächtig gefühlt. «Egal, wie sehr ich mich angestrengt habe, ich hatte keinen Einfluss darauf, wie meine Noten ausfallen.» Das habe an seinem Selbstwertgefühl genagt.

Betroffene leiden an Ängsten
Zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung seien wissenschaftlichen Hochrechnungen zufolge von einer Lese-Rechtschreibstörung betroffen, sagt Sabine Behrent vom Landesverband Legasthenie und Dyskalkulie Hessen. Viele von ihnen litten an Ängsten, Angststörungen, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken. «Legasthenie geht oft einher mit einem verminderten Selbstwertgefühl», erläutert Behrent.

Ein großes Problem seien die Rahmenbedingungen an Schulen, so Behrent. An manchen Schulen werde auf Legasthenie wie auf eine erworbene, überwindbare Schwäche geblickt. «Dabei hat das Bundesverfassungsgericht die Legasthenie als Behinderung im Sinne des Grundgesetzes anerkannt.» Legastheniker könnten also nur lernen, ihre Veranlagung zu kompensieren, nicht aber, sie zu überwinden. «Dieser Blick fehlt in der Schule.»

Geduld und Akzeptanz gefordert
Die betroffenen Kinder litten sehr. «Sie sind intelligent, häufig besonders sprachbegabt. Sie bemühen sich sehr, müssen dreimal mehr leisten, aber kommen auf keinen grünen Zweig.» Ihre Prüfungsangst bleibe oft ein Leben lang. Zudem sei das Thema schambesetzt. «Mehr Geduld und Akzeptanz wären wichtiger als jede Therapie», meint Behrent.

«Wir plädieren seit vielen Jahren für Notenschutz, um die Kinder zu entlasten», erläutert sie. Dabei lassen die Lehrkräfte auf Antrag die Rechtschreibung nicht in die Noten einfließen. Zudem solle Legasthenie verpflichtend Teil des Lehramtsstudiums sein, fordert Behrent.

«Es braucht Förderung, Zuspruch und Unterstützung, vor allem in der Kindheit, und keine Demotivation durch kontinuierliches Problematisieren der Rechtschreibung», sagt auch Sebastian. Notenschutz sei dabei das zentrale Mittel. «Und die Aufklärung von Lehrern und der Gesellschaft.»

Kultusministerium: Maximal fordern, ohne zu überfordern
Das hessische Kultusministerium setzt auf Notenschutz nur in Ausnahmefällen. Als Fördermaßnahmen kämen Unterricht in besonderen Lerngruppen, Binnendifferenzierung, Maßnahmen des Nachteilsausgleichs und Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung oder Leistungsbewertung – der sogenannte Notenschutz – infrage, erläutert eine Sprecherin.

«In der Praxis werden die Nachteilsausgleiche stufenweise angewendet. Dies geschieht nach den Grundsätzen “Maximal fordern, ohne zu überfordern”, beziehungsweise es geht darum, Leistungen zu ermöglichen und nicht überflüssig zu machen.»

Notenschutz nur in Ausnahmefällen
Der Notenschutz sei eine Maßnahme der Stufe drei und «sollte nur im Ausnahmefall sinnvoll beziehungsweise notwendig sein», erklärt die Sprecherin. Nachteilsausgleiche der Stufen eins und zwei – zum Beispiel «Verlängerte Arbeitszeiten, etwa bei Klassenarbeiten» oder «differenzierte Aufgabenstellung» kämen hingegen häufiger zum Einsatz und könnten ein Kind oft effektiver fördern als ein Aussetzen der Bewertung der Lese- und/oder Rechtschreibleistungen.

Der Umgang mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben und Rechnen findet dem Ministerium zufolge in allen drei Phasen der Lehrkräftebildung Berücksichtigung. Um insbesondere Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten gerecht zu werden, erhielten Studierende, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und Lehrkräfte in vielfältigen Modulen und Fortbildungsangeboten Kenntnisse über den aktuellen Forschungsstand zum Schriftspracherwerb.

Zudem stehe mit der Handreichung «Besondere Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen» ein Nachschlagewerk zur Verfügung, «das aus der Praxis für die Praxis entstanden ist und Lehrkräften als Unterstützung für ihre tägliche Arbeit dient», so die Sprecherin.

Stärke durch gute Erfahrungen
Sebastian sagt, er habe viele Erinnerungen an seine Schulzeit verdrängt. Bis heute habe er eine recht starke Prüfungsangst. Insgesamt sei es für ihn aber leichter geworden. «Ich schreibe alles am Computer, da greift das Rechtschreibprogramm», schildert der Student. Es koste ihn aber vielleicht mehr Energie als andere, Texte zu formulieren. «Aber ich bin grundsätzlich jemand, der etwas durchzieht, wenn er es einmal angefangen hat. Ich habe mich in Teilen auch durchgebissen.»

Die Angst, etwas nicht gut genug zu können, komme schon manchmal noch hoch. «Aber ich habe gute Erfahrungen gemacht, die helfen.» Sein Bachelorstudium etwa hat Sebastian erfolgreich abgeschlossen, derzeit ist er im Masterstudium. «Das war für mich die formale Bestätigung, dass ich es trotzdem kann.»

Sebastian sagt, ihm habe vor allem seine Mutter geholfen. «Sie hat mich immer unterstützt, viel mit mir gelesen und einen Schulwechsel organisiert.» In der neuen Schule, einer Privatschule, die er dank eines Stipendiums besuchen konnte, sei dann vieles besser geworden. Seine Legasthenie gehe wie bei vielen Betroffenen mit einer Wahrnehmungsstörung einher. «Bei mir ist das eine auditive Störung. In einem lauteren Umfeld etwa ist das Herausfiltern von einzelnen Sprechern schwieriger für mich.»

Gefühl von Selbstwirksamkeit
In der neuen Schule habe es kleinere und ruhigere Klassen gegeben, die Lehrer hätten ihn unterstützt, er habe in allen Fächern Notenschutz bekommen. «Das hat mir das Gefühl von Selbstwirksamkeit zurückgegeben.» Die Abneigung gegen die Schule habe damals nachgelassen. «Hätte meine Mutter sich nicht so gekümmert, wäre ich wahrscheinlich nicht so weit gekommen», sagt Sebastian.

Eltern seien bei dem Thema Legasthenie oft auf sich allein gestellt, meint er. «Sie müssen erst einmal überhaupt darauf kommen, dass es Legasthenie sein könnte.» Dann müssten sie sie diagnostizieren lassen und Nachteilsausgleich, Notenschutz und die Förderung des Kindes an der Schule durchsetzen. «Es gibt viele Kinder, deren Eltern nicht so viel Zeit und Energie da hineinstecken können. Die bleiben auf der Strecke.» Von Nicole Schippers, dpa

01/12/2024
22/03/2024

Grundschüler brauchen keine Tablets, sondern Schiefertafeln und Kreide oder Hefte und Stifte.

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