05/08/2023
Genau so:
"Bei Kindern, die das Säuglingsalter hinter sich haben, sei sehr wichtig zu unterscheiden, welche ihrer Forderungen Bedürfnisse ausdrücken und welche Wünsche. "Nicht in Angst einschlafen zu müssen ist zum Beispiel ein Bedürfnis", sagt Hummel. "Dass unbedingt Mama das Einschlafen begleiten soll, ist dagegen ein Wunsch." Hier sollten Eltern sehr klar, aber respektvoll ihre Entscheidung mitteilen und dennoch Verständnis für den möglichen Missmut und Zorn ihres Kindes aufbringen. Sie habe beobachtet, dass Eltern ihre Unsicherheit verlören, wenn sie sich statt plakativer Instagram-Weisheiten mehr Forschungswissen aneigneten, sagt Hummel. "Welche Entwicklungsphasen durchläuft mein Kind und wie lange können sie andauern? Zu was ist mein Kind in welchem Alter kognitiv und emotional in der Lage? Welches Verhalten ist gerade völlig normal und was ist vielleicht auffällig?" Durch ein wissenschaftsbasiertes Verständnis der Kindesentwicklung würden Eltern selbstbewusster in ihrem Handeln und Erziehung verlöre etwas von dem Gewicht des einen großen Lebensprojekts, bei dem man nichts falsch machen dürfe. "Viele Eltern treffen dann intuitiv die richtigen Entscheidungen", sagt Hummel.
Mut zu unbequemen Entscheidungen
Bedürfnisorientierte Erziehung bedeute auch, Führung und Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen und damit das Kind zu entlasten, sagt Oliver Dierssen. Nicht jedes Thema wie Zähneputzen, warme Kleidung oder Handynutzung müsse mit dem Kind ausgehandelt werden. Es komme aber auf die richtige Kommunikation an. "Ich kann als Elternteil auch unbequeme Entscheidungen treffen, ohne das Kind nachhaltig zu schädigen", sagt Dierssen. Konflikte gehörten schließlich zum Leben dazu – und diese müssten auch nicht immer freundlich und geräuschlos ablaufen. "Eltern dürfen auch sauer reagieren", sagt Dierssen. "Sie dürfen impulsiv sein und auch mal ungerecht. Das Kind nimmt keinen Schaden, solange man eine menschliche Streitkultur ohne körperliche Schädigung und seelische Erniedrigung beherrscht. Kinder müssen auch das Streiten lernen."
Bedürfnisorientierte Erziehung, doch das Kind ist frech, nervig und ungehorsam? Viele Eltern haben nicht verstanden, was Attachment Parenting in der Praxis bedeutet.