18/08/2025
Sehr interessant!
Unter dem Titel »Ständig auf Speed« - online hinter der Bezahlschranke »Studenten unter Druck: „Ich war zu schwach, um der Versuchung nicht zu verfallen“« - erschien am 09.08.2025 in der FAZ der Artikel über eine junge Frau, Mia genannt, die während ihrer Studienzeit Amphetamine nahm, um leistungsfähiger zu sein. "Mia dachte, dass sie sich selbst optimiert, dass sie nur so dem Leistungsdruck in den Prüfungen standhalten, gleichzeitig den Nebenjob schaffen und den Erwartungen ihrer Eltern gerecht werden konnte."
Als sie ihr Studium beginnt, ist Mia 20 Jahre alt. "Heute [...] ist Mia 30 Jahre alt, nimmt nur selten Drogen und ist seit einem halben Jahr in Therapie. Die Diagnose: ADHS. Für Psychiater Betzler ist das keine Überraschung. »ADHS-Betroffene greifen häufig zu Substanzen - auch zu Speed«, sagt er. Bei etwa einem Viertel der Menschen mit Substanzabhängigkeit liegt gleichzeitig eine ADHS-Diagnose vor. »Ich habe immer gesagt, Drogen sind ein Symptom« sagt Mia. Genau das werde in vielen Hilfsangeboten nicht ernst genommen. »Es geht viel zu selten darum, warum Menschen überhaupt süchtig sind.«
Zwischen erstem und letztem Absatz entfaltet sich eine klischeehafte Geschichte mit Moral, die vielleicht gerade deshalb exemplarisch ist. Die Eltern sind Mediziner, der Bruder ein Leistungssportler, Mia selbst hat den Leistungsanspruch der Familie verinnerlicht, kann ihm jedoch kaum genügen. In ihrer WG wird gekifft, M**A und L*D genommen. Sie weigert sich über Monate, konsumiert dann doch, schließlich täglich, macht einen Entzug, geht auf drogenfreie Weltreise, kehrt in ihre WG zurück und verfällt den Drogen erneut. Am Ende offenbart sie sich den Eltern, die ihr helfen.
Irgend wann wird im Artikel das Methylphenidat erwähnt: "Soziologe Sattler beobachtet hingegen, dass Menschen mit mehr Statusangst öfter zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen. Eines dieser Mittel ist Methylphenidat - bekannt unter dem Markennamen Ritalin. Chemisch zählt es zur Gruppe der Amphetamine und kann, ähnlich wie Speed, psychisch abhängig machen. Wie viele junge Menschen Ritalin als Leistungsdroge missbrauchen, ist unklar. Nach Sattlers Einschätzung wählen Menschen die Substanz, die sie am leichtesten bekommen und bei der sie sich die größte Wirkung bei möglichst geringem Risiko versprechen."
Zwischen Status und Statistik - 68% aller Studierenden geben in Umfragen an, von Leistungsdruck und Nebenjob gestresst zu sein - ist dem Artikel zugute zu halten, dass er aus 2,4% der Studenten, die während des Studiums irgendwann einmal illegale Substanzen zu sich nahmen (Umfrage 2018/19 unter 22.000 Studierenden), keine Epidemie der Selbstoptimierer macht. Die Realität ist, dass die Einnahme von Stimulanzien nur im Fall entsprechender Defizite leistungsförderlich wirken.
"»Wenn man gesunde Probanden vor Tests setzt und ihnen Amphetamin gibt, schneiden sie kaum besser ab als Probanden ohne«, sagt Betzler [Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité in Berlin, wo er Konsumtrends unter Studenten und in der Partyszene erforscht]. Mia weiß, was er meint „Ich konnte anfänglich in zwei Stunden unfassbar viel schaffen - aber irgendwann gar nichts mehr." Immer wieder erhöht sie die Dosis, und die Pepsucht nimmt richtig Fahrt auf."
Und, ungeachtet aller Klischees, wird die ADHS-Diagnose am Ende des Artikels nicht relativiert. Natürlich spielen familiärer Hintergrund, aktueller Stress und die Verfügbarkeit von Drogen bei der Entstehung substanzgebundener Süchte eine Rolle. Aber auch die neurophysiologische Disposition u.a. der ADHS. Um diese Einsicht hat nicht nur die Suchtforschung lange gerungen, sondern auch die ADHS-Selbsthilfe. Beim Vorliegen einer ADHS ist das Suchtrisiko rund viermal höher als ohne entsprechende Disposition. Wie im Fall der Verhaltenssüchte gilt auch für Drogen: Am besten gar nicht erst anfangen!
Wie sagte Peter Lustig einst am Ende jeder Folge "Löwenzahn": „Und jetzt? Richtig. Abschalten!“ Wer braucht schon mehr Soziale Netzwerke als die Facebook-Seite des ADHS Deutschland e.V.?!