21/06/2025
Wer kümmert sich um die Alten?
Im letzten Dienst hatten wir wieder einen dieser unbefriedigenden Einsätze. Ein 90-jähriges Paar wurde via Hausnotruf an die 112 vermittelt, weil die Patientin über einen „trockenen Hals“ geklagt hat. Bei Eintreffen erwartet uns ein rüstiges Pärchen und nach dem ersten Satz den sie spricht, ist eigentlich klar: Sie hat vermutlich einen Atemwegsinfekt. Die Temperatur von 38,4 Grad bestätigt das. Und jetzt befindet man sich um 19:00 Uhr am Tag vor einem Feiertag mitten im Dilemma des deutschen Gesundheitssystems: Wohin mit dieser Patientin? Sie bewerkstelligt ihren Alltag noch alleine und hat keine Vorerkrankungen. Ihr Mann wiederum ist nach objektiver Einschätzung ohne seine Frau nicht mehr in der Lage den Alltag zu bewältigen. Angehörige? Gibt es nicht. Hausarzt um die Uhrzeit und am Tag darauf auch keinen. Notaufnahme? Für die Patientin nicht zielführend, insbesondere weil der Mann dann alleine ist und die Patientin sich unter Umständen noch nosokomial irgendetwas einfängt. Die Lösung wäre eigentlich ein temporär intermittierendes Monitoring, also ein Besuch durch eine med. Fachkraft morgens/abends über zwei, drei Tage um die Patientin zu begleiten. So etwas gibt es aber nicht, denn alle prähospitalen Lösungen sind auf einen einzigen und einmaligen Patientenkontakt ausgelegt. Also lassen wir uns via Leitstelle an die 116117 verbinden und hoffen, dass dieser eine Besuch durch einen KV-Arzt Besserung bringen wird. Erfahren werden wir es wie so häufig nie, stattdessen bleibt dieses unbefriedigende Gefühl. Ein 90-jähriges Paar, noch selbstversorgend, einen Krieg erlebt und das Land mit aufgebaut: Steht am Ende ganz alleine da. Wenn man alt wird, keine Angehörigen hat und zu fit fürs Altenheim ist, dann steht man bei vielen Herausforderungen leider ganz alleine da. Wir haben die Einsatzstelle mit keinem befriedigenden Gefühl verlassen.