10/10/2025
GUTE I NACHT I GESCHICHTE
Ein Abenteuer unserer Klinikmöwe Rüdiger, zum Staunen, Lernen und Schmunzeln
Rüdiger und das Rätsel des Vogelzuges
Der Herbst war nun wirklich da. Über dem Wieker Bodden zogen graue Wolken, die Blätter an den Bäumen wurden gelb und rot, und der Wind klang kräftiger als im Sommer.
Rüdiger hockte mit Carlo, dem alten Hafenkater, und Otto, dem Fischotter, an der Kaikante im Wieker Hafen. Über ihnen zogen Kraniche in großen Formationen durch den Himmel. Ihr Rufen klang wie Trompeten, die weit fort wollten.
Otto reckte die Nase in die Luft. „Schaut mal! Da fliegen sie wieder los. Immer nach Süden, Jahr für Jahr. Aber warum eigentlich? Ist es ihnen hier zu kalt?“
Carlo schnaubte. „Das kann man ihnen nicht verübeln. Wer läuft schon gern mit kalten Pfoten herum? Ich verstehe die Kraniche.“
Rüdiger kicherte. „Ach Carlo, so einfach ist das nicht. Vögel, die in den Süden ziehen, nennt man Zugvögel. Sie finden hier im Winter nicht genug Futter. Kraniche brauchen Felder und Wiesen. Wenn alles gefroren ist, gibt es kaum noch etwas für sie. Also fliegen sie dorthin, wo es warm ist und das Futter reichlich wächst.“
Otto nickte langsam. „Das heißt, sie machen so etwas wie Urlaub?“
„Nicht ganz“, erklärte Rüdiger. „Für sie ist es überlebenswichtig. Sie fliegen Tausende von Kilometern. Das ist kein Spaß, sondern harte Arbeit. Aber sie kommen jedes Jahr zurück. Das ist das Wunder.“
Carlo gähnte. „Ich bleibe lieber hier. Ein warmes Plätzchen im Hafen, ein Dach über dem Kopf und ab und zu ein Hering, das reicht mir.“
Rüdiger breitete die Flügel aus. „So geht es mir auch. Möwen wie ich ziehen nicht fort. Wir bleiben an der Küste, egal ob Sommer oder Winter. Das Meer gibt uns immer etwas. Mal Muscheln, mal kleine Fische, mal Krümel, die Menschen fallen lassen.“ Er machte eine kleine Pause und fügte feierlich hinzu: „Außerdem bin ich mit der Klinik verbunden. Ich könnte gar nicht weg. Wer würde denn sonst die Kinder begrüßen?“
Otto grinste. „Stimmt! Stell dir vor, du würdest plötzlich nach Spanien fliegen. Die Kinder stünden hier und suchten dich. Und du würdest am Strand von Barcelona auf einem Poller sitzen.“
Carlo lachte leise. „Und dort würdest du wahrscheinlich auch Fischbrötchen klauen.“
Alle drei kicherten.
Da raschelte es im Laub neben dem Kai. Ein kleiner Igel wackelte langsam über den Weg. Er blieb stehen, sah sie an, schnaufte und rollte sich dann zu einer stacheligen Kugel zusammen.
„Hallo!“, rief Rüdiger neugierig. „Sag mal, kleiner Stachelritter, warum kugelst du dich hier im Herbst so oft ein?“
Der Igel hob vorsichtig die Schnauze und antwortete: „Weil ich bald Winterschlaf halte. Wenn es kalt wird, finde ich nicht genug zu fressen. Käfer und Würmer verstecken sich, Schnecken verschwinden. Also rolle ich mich in mein Laubbett, kuschle mich ein und schlafe viele Wochen lang. Erst wenn der Frühling kommt, wache ich wieder auf.“
Otto riss die Augen auf. „So lange schlafen? Das klingt herrlich!“
Carlo nickte zustimmend. „Gar nicht dumm. Wenn es zu ungemütlich wird, einfach schlafen gehen. Das könnte mir gefallen.“
Der Igel schmunzelte. „Für mich ist das überlebenswichtig. Ich spare Kraft und komme so gut durch die kalte Jahreszeit.“ Dann schnaubte er noch einmal, drehte sich um und verschwand langsam im Laubhaufen am Rande des Hafens.
Otto schüttelte lachend den Kopf. „Carlo, wenn du Winterschlaf hältst, verpasst du alle Feste im Hafen.“
„Stimmt“, brummte Carlo. „Dann bleibe ich wohl doch lieber wach.“
Rüdiger flatterte ein Stück in die Höhe, schaute den Kranichen nach, die kleiner und kleiner wurden, und rief: „So hat jedes Tier seine Art, den Winter zu überstehen. Die einen ziehen fort, die anderen schlafen, und wieder andere bleiben hier. Wichtig ist, dass jeder das tut, was zu ihm passt.“
Die Sonne ging langsam über dem Bodden unter. Das Wasser schimmerte rötlich, die Kraniche waren schon fast am Horizont, und an der Kaikante saßen nur noch die drei Freunde, die zufrieden aufs Meer blickten.
„Weißt du, Rüdiger“, murmelte Otto, „manchmal denke ich, wir drei haben es am besten. Wir bleiben hier, bei den Kindern, am Meer, mit dem Wind in den Ohren.“
„Da hast du recht“, schnurrte Carlo. „Das ist besser als jeder Süden.“
Rüdiger nickte zufrieden. „Dann sind wir uns ja einig. Für uns ist Wiek der schönste Platz der Welt.“
Schlaft gut, ihr kleinen und großen Leser, und denkt daran: Manche Tiere ziehen fort, andere schlafen, und wieder andere bleiben. Jeder hat seine eigene Weise, den Winter zu überstehen.
BEWUSST. AOK-Klinik Rügen
BEWUSST. Begeisterung ↩️
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