10/12/2023
Was hab‘ ich schon zu bieten…
Was hab ich schon zu bieten
fragst Du
und blickst mich traurig an.
Übel ist Dir immer wieder
und dadurch bist Du
ruhiger und zurückgezogener
als früher.
scheinbar weniger witzig,
unterhaltsam und geistreich.
Und da fragst Du Dich,
ob sich die Leute
zurückziehen werden
wenn Du nicht mehr
dieselbe bist
wie früher.
Die Übelkeit kommt
von den Tumoren
die in Deinem Kopf wachsen
und immer grösser werden.
Medikamente müssen
immer wieder angepasst
und Nebenwirkungen
im Schach gehalten werden
Was hab ich schon zu bieten?
fragst Du.
Ich habe keine grossen Ziele mehr
und weiss nicht
wie weit meine Kräfte noch reichen
ob der Tod schon bald
an meine Tür klopft.
Die Schwere der Tage
zieht Dich in weitere Dunkelheiten.
Zu gehen mit dem, was ist,
ist oft nicht leicht
ist manchmal
schwer auszuhalten.
Und nicht immer
ist sie ein Geschenk
diese geschenkte Zeit
gelebt in der Ungewissheit
und dem Jetzt, dem wie lange und dem wann
wo der Funke Hoffnung
versucht
dem Leben einen Türspalt
offen zu halten.
Und ja, es ist eine Kunst,
jedem Tag ein Stückchen Freude abzuringen
und sich zu öffnen
für das Schöne,
Gute und Nährende.
Und ja,
wie schwer ist es
zu glauben und zu denken
dass wir alle Wert in uns tragen
ohne Wertschöpfung und Wirken
ohne Glanz und Genialität
Dass unser Dasein allein
Geschenk ist und gewürdigt
und geliebt werden will.
Und dass das Kind in der Krippe
zu einem anderen Blick einlädt
zu einem Blick der Liebe
der in der Abhängigkeit
in der Säugling und Sterbende
einander ähneln
und im verletzlich Menschlichen
einen Ort entdeckt
wo der Himmel sich öffnet
und das grosse Geheimnis
die Erde berührt.
weil alles wegfällt
was verblendet
weil nacktes, verletzliches Dasein
Zärtlichkeit ruft
und Fürsorge
und Liebe
und eine tiefe Sehnsucht
nach Einfachheit, nach Frieden.
Sich zuzumuten
in aller Verletzlichkeit
Begrenzung und Endlichkeit
ist wohl eine der letzten Aufgaben.
Und es ist keine leichte.
Sich fallen lassen
und auf die Liebe vertrauen
die trägt und hält
die aushält und mitträgt.
Was für eine Kunst.
Und diesen letzten Weg
mit all seinem Ringen
zu teilen
mit seinen Nächsten und Liebsten
und selbst weiten Kreisen
braucht Mut.
Und das ist das,
was Du uns „bietest“,
was Du uns schenkst,
liebe Freundin.
Ein raues Stück Lebensschule
im Teilen Deines Weges
wo auch wir verwandelt werden
geprägt und herausgefordert
und zur Liebe gerufen
die auch das Schwere
umarmt
und lebt.
Dafür danke ich Dir.
Und für vielmehr.
Für die vielen Momente
In den letzten 21 Jahren
wo wir gemeinsam
immer wieder Leben und
Erfahrung teilten,
das Wesentliche umkreisten.
Du immer kritisch,
doch auch hoffnungsvoll
Du mir Liebe
kostbare Freundin.
Barbara Lehner/ 10.12.2023
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